Mariä Himmelfahrt
Ein Zeichen für Gottes Liebe
Sieben, 24, ja sogar 72 oder 99 verschiedene Kräuter werden heute geweiht, und die Büschel sollen Haus und Stall segnen: typisch katholische Folklore. Aber das Fest „Mariä Himmelfahrt“ hat einen tieferen Sinn.
Moderne Menschen haben Schwierigkeiten mit dem verhältnismäßig jungen – 1950 von Pius XII. verkündeten – Dogma der Aufnahme Marias in den Himmel. Sie verweisen darauf, dass es im Neuen Testament nicht die geringste Information über Ort, Zeitpunkt und Art des Todes der Mutter Jesu gibt. Sie sehen in dem Mariendogma die Gefahr, die Rolle Christi als des einzigen Mittlers zwischen Gott und Mensch zu beschneiden.
„Es ist eine von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit, dass die unbefleckte, immer jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist“, so steht es im Dogma von 1950, dem bisher letzten in der Geschichte der katholischen Kirche.
Große Theologen der Ostkirche haben freilich genau diese Lehre von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel schon im siebten und achten Jahrhundert vertreten; das Fest der „Entschlafung Marias“ hat man dort schon viel früher gefeiert. Und in der – noch ungeteilten – Kirche des Westens setzte sich damals immer mehr der Gedanke durch, dass das vom guten Gott jedem Menschen zugedachte Schicksal – die Teilhabe an Tod und Auferstehung Jesu, die ganzheitliche Vollendung bei Gott, die vollendete Schau Gottes – exemplarisch eben schon an jenem Menschen sichtbar wurde, der so intensiv wie keiner sonst mit Jesus, seinem Leben und seiner Sendung, verbunden war.
Thomas von Aquin etwa gab zu bedenken, der Leib, der das ewige Wort getragen und sich als Tempel des Heiligen Geistes erwiesen habe, könne der allgemeinen Zerstörung alles Irdischen nicht anheimgefallen sein. Kardinal Gerhard Ludwig Müller traf das in der Dogmatik, die er noch als Professor geschrieben hat, ganz gut, als er dem Fest „Mariä Himmelfahrt“ einen neuen Namen gab: „Die Vollendung Marias in der Gnade des auferstandenen Christus“.
„Das bedeutet, dass sie mehr in der Welt gegenwärtig ist als jede andere Frau. An Kleopatra denkt man höchstens, zu Maria spricht man. Sie ist eben da“, so formulierte es der „Holländischer Katechismus“ im Jahr 1968.
Manche sehen in dem Dogma mit seiner Aufwertung der Körperlichkeit ein deutliches Gegenprogramm zu allen leibfeindlichen Tendenzen im Christentum. Im ökumenischen Dialog spricht man vielleicht besser nicht von einem Dogma, sondern von einem Zeichen. So nennt der protestantische Theologe Peter Meinhold Maria, von Jesus her betrachtet, ein „Zeichen für eine ihrer Vollendung entgegengehende Menschheit“, ein Zeichen für Gottes sich schenkende Liebe und ein „Zeichen für das, was der Glaube zu erhoffen hat“.
Die Kräuterweihe an diesem Fest ist schon im 13. Jahrhundert belegt und steht wohl mit dem jetzt zur Reife gelangenden Getreide in Verbindung, weniger mit der uralten Legende, in Marias Grab hätten Rosen einen wunderbaren Duft verbreitet. Früher bereitete man aus den geweihten Kräutern Heiltränke für Kranke, mischte sie dem Vieh ins Futter und legte sie Toten in den Sarg – Zeichen des Dankes und des Vertrauens, dass Gott der Natur heilende Kräfte geschenkt hat. Aber es müssen ganz bestimmte Kräuter in einer bestimmten Anzahl sein: Kamille, Thymian, Baldrian, Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Schafgarbe, Klee und verschiedene Getreideähren.
Christian Feldmann