Adventskranz
Chiffre der Hoffnung: Licht im Dunkel
In Wohnstuben, Schulzimmern, Kirchenräumen und Supermärkten hängen und stehen sie, die nach Tannengrün duftenden oder in Porzellan und Plastik trendig verfremdeten Kränze mit ihren Kerzen in allen Farben.
Am ersten Adventssonntag wird die erste Kerze entzündet – und an den folgenden Sonntagen kommt jeweils eine dazu, bis am vierten Sonntag kurz vor Weihnachten alle brennen. Wer die Symbolik nicht mehr kennt, zündet alle vier Kerzen auf einmal an, sobald der November zur Neige geht. Womit die geheimnisvolle Spannung des Brauches natürlich ein Stück weit verloren geht.
Was aber die meisten Freunde vorweihnachtlicher Bräuche nicht wissen: Erfunden wurde der Adventskranz erst 1839 im protestantischen Norddeutschland; die katholischen Milieus übernahmen ihn knapp 100 Jahre später.
Es waren die protestantischen Familien, in denen die Vorläufer der adventlichen Zeitmesser – Kalender und eben Kränze – im 19. Jahrhundert aufkamen, verbunden mit einer Art Hausliturgie: Gesang, Gebet, Bibellesung. Die Formen scheinen denkbar einfach: Kreidestriche wurden ausgewischt, Blätter abgerissen, Kerzen ein Stück weit abgebrannt. Aber der schlichte Ritus genügte, um Spannung zu erzeugen. Der Vater der protestantischen Diakonie, Johann Hinrich Wichern, war vermutlich der Erste, der in Hamburg einen Kronleuchter – nach anderen Quellen ein Wagenrad – zum Adventskranz umfunktionierte.
Die kleinen Waisen und Streuner, denen er in seinem „Rauen Haus“ Heimat und Ausbildung gab, hatten ihn ständig gefragt, wann denn nun endlich Weihnachten sei. Um ihre Frage zu beantworten, aber auch um ihnen das Zählen beizubringen, brachte er auf dem Kronleuchter so viele Kerzen an, wie es Tage vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend waren.
Vermutlich ist der Adventskranz deshalb auch heute noch ein Renner, weil er so eine dichte und unmittelbar verständliche Symbolik transportiert: Die Kreisform, die keinen Anfang und kein Ende kennt, steht für Ewigkeit und Unendlichkeit, im christlichen Denken auch für die Auferstehung – und, nicht zu vergessen, für die Gemeinschaft. Die vier Kerzen auf dem Kranz können als die vier Himmelsrichtungen auf dem Erdkreis gedeutet werden. Das Tannengrün im Winter ist eine starke Chiffre der Hoffnung: mitten in Eis und Schnee, in Kälte und Dunkel bereitet sich das neue Leben vor.
Und dann erst das Licht im früh hereinbrechenden winterlichen Dunkel, das Licht, das von Sonntag zu Sonntag an Kraft zunimmt: ein sprechendes Bild der Erwartung der Ankunft (adventus heißt Ankunft) Christi, des „wahren Lichtes“, das in der Finsternis leuchtet und unter uns wohnen will.
Christian Feldmann
Advent
24 Tage Vorfreude
Dichtes Schneegestöber, verzweifelte Parkplatzsuche, Gedrängel in völlig überfüllten Kaufhäusern – für viele Menschen bedeutet die Vorweihnachtszeit in erster Linie Hektik, Stress und Konsum. Doch der Sinn des Advents liegt nicht in der Suche nach dem passenden Weihnachtsgeschenk. Wirklich wichtig ist: Eine Zeit, in der wir uns auf die Geburt Jesu Christi vorbereiten
ine gute Vorbereitung ist alles. Das weiß jeder Schüler, jeder Sportler, jeder Schauspieler. Natürlich gilt dieser Spruch auch für andere Lebensbereiche. Zum Beispiel auch für den Glauben. Glauben will gelernt sein. Das heißt: Sich ganz fallen zu lassen und zu vertrauen, auch wenn eine Botschaft zunächst einmal unsere Vorstellungskraft übersteigt. Auch wenn diese Herausforderung immer auf uns zukommt, kennen wir dafür eine ganz besondere Zeit: den Advent. Hier bereiten wir uns auf eine schier unglaubliche Botschaft vor: Es gibt einen Gott. Und dieser Gott wurde Mensch und lebte unter uns. Vielleicht müssen auch Sie sich zunächst einmal mit diesem großen Gedanken vertraut machen. Der Advent gibt uns dafür vier Wochen Zeit. Wir können uns dabei vorbereiten auf die Ankunft des Herrn. „Adventus“ ist lateinisch und bedeutet „Ankunft“. Früher wurde so nur das Kommen einer hochgestellten Persönlichkeit bezeichnet – heute ist es genauso: Schließlich kommt am Ende des Advents der Herr! An Weihnachten wird Jesus geboren! In der Ausrichtung auf dieses Fest bekommt der Advent seine ganze Bedeutung. Er ist unglaublich wichtig, damit wir frei und offen werden, um Weihnachten zu feiern. Nicht nur der Herr kommt, auch wir müssen zu uns kommen, ehe wir ihn wirklich empfangen können. Das kennen Sie wahrscheinlich auch: Wenn Sie mit sich selber nicht im Reinen sind, dann werden sie kein besonders guter Gastgeber sein.
Obwohl der Advent zunächst eine Fasten- und Bußzeit war, müssen wir uns in dieser Zeit nicht zurückziehen. Wir dürfen uns genauso ausgelassen freuen, freuen auf Weihnachten. Die Vorfreude gehört dazu – genauso wie das Einkaufen oder Weihnachtsfeiern. Aber: Wir sollten das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Denn ohne das Weihnachtswunder ist der Advent wenig wert. Der Advent hilft uns, dieses Wunder ruhig und offen feiern zu können.
Zeit der Buße
Ihren Ursprung hat die Adventszeit wohl im 5. Jahrhundert. Man vermutet, dass sie zunächst einfach eine Vorbereitungszeit auf die Taufe war. Später begannen Prediger wie Maximus von Turin (um 350 – ca. 423) in den Wochen vor Weihnachten zur Buße aufzurufen. Bischof Perpetuus von Tours (461 – 491) ordnete etwas später Folgendes an: Vom Fest des Heiligen Martin ab sollte drei wochenlang dreimal pro Woche gefastet werden. Papst Gregor der Große (um 540 – 604) legte ein Jahrhundert später die Zahl der vier Sonntage fest. Der Charakter der Buße war zu diesem Zeitpunkt schon weit verbreitet und hatte in die Liturgie Einzug gehalten. Seit Mitte des 8. Jahrhunderts setzte sich dann auch die Auffassung durch, der erste Sonntag im Advent sei der Beginn des Kirchenjahres.