13. Dezember: Lucia

Die Lichterkönigin

Sie gilt als Schutzpatronin der Augenkranken und der Fischer – und wird in ganz Europa als Lichtbringerin und Lichterkönigin verehrt. Vor allem in Schweden in den langen, dunklen Winternächten.

„Luciabräute“ ziehen durch die Dörfer und Städte, Mädchen mit langen blonden Haaren (das ist Tradition) und mit einer Krone aus brennenden Kerzen oder elektrischen Lichtern auf dem Kopf, in ihrem Gefolge „Sternknaben“, die auch Mädchen sein können (das ist neu).
Die kleine Prozession macht überall dort Halt, wo Licht gebraucht wird oder Traurigkeit herrscht, in Schulen und Industriebetrieben, Krankenhäusern und Altenheimen. Man singt das Lucialied (zu der auch andernorts bekannten neapolitanischen Melodie) und lädt zu Kaffee oder Glögg ein; so heißt der schwedische Glühwein mit Rosinen und Mandeln.

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„Natten går tunga
fjät runt gård och stuva …
Mit schweren Schritten geht die Nacht
um Hof und Haus.
In unser dunkles Haus
steigt mit brennendem Licht
Sancta Lucia.

(…) ‚Die Dunkelheit wird bald flüchten
aus den Tälern der Erde‘,
spricht sie mit wunderbaren Worten zu uns.
Ein neuer Tag soll leuchten
vom rosigen Firmament –
Sancta Lucia!”

Lucia-Lied aus Schweden

Schreckgestalt in der Mitte des Advents

Ganz andere Bräuche gibt es im Bayerischen Wald: Eine gespenstische Gestalt trieb hier einst am Vorabend des 13. Dezember in den Dörfern ihr Unwesen. Ein altes Weib mit blutrot verschmiertem Gesicht oder mit einem Strumpf über dem Kopf, in der Hand eine Sichel oder ein großes Schlachtermesser, das sie ständig wetzte, am Arm einen Korb mit Steinen und Ziegeln.
Das war die „schiache Luz“, mit der pädagogisch wenig begabte Eltern ihre ungebärdigen Kinder zu schrecken pflegten. Polternd trampelte das Gespenst in die Stube, ging auf die Kleinen los und krächzte drohend, sie müsse ihnen den Bauch mit Ziegelsteinen füllen. Auch schlampige Mägde bedrohte die grausige Figur gern.
Wie konnte ausgerechnet die heilige Lucia, auf deutsch die „Leuchtende“, die in ganz Europa als Lichtbringerin verehrt wurde, zur dämonischen Hexe entgleisen? Die Antwort gibt das Datum ihres Festes, das nach dem alten Julianischen Kalender mit der Wintersonnenwende den kürzesten Tag und die längste Nacht des Jahres brachte. „An Lucia geht der Tag irr“, sagte man früher. Nach altem Glauben können sich in einer solchen nicht enden wollenden Nacht die Dämonen mit ihrer geballten bösen Macht austoben, und deshalb nahm die heilige Lucia mancherorts wohl die Züge einer frühwinterlichen Schreckgestalt aus vorchristlicher Zeit an.

Märtyrerin aus Syrakus

Als sicher kann gelten, dass Lucia während der Christenverfolgung unter Diokletian in Syrakus zu Tode gemartert wurde. Es wird erzählt, sie habe schon als Kind gelobt, Jungfrau zu bleiben. Die kranke Mutter habe ihr zwar einen Bräutigam ausgesucht, einen Heiden. Doch als sie zusammen mit ihrer Tochter eine Wallfahrt zum Grab der heiligen Agatha machte und dort wundersam geheilt wurde, habe sie staunend Lucias Wunsch erfüllt und mit der Mitgift der Tochter und dem Familienvermögen ein Haus für Arme und Kranke errichtet.
Lucia, so wird weiter berichtet, habe den verfolgten Mitchristen im Schutz der Dunkelheit Lebensmittel in ihre Verstecke gebracht. Damit sie beide Hände zum Tragen der Speisen frei hatte und im Finstern den Weg finden konnte, soll sie sich einen Lichterkranz auf den Kopf gesetzt haben.
Der erzürnte Bräutigam denunzierte das Mädchen beim Richter Paschasius, der es vergeblich zum Kaiseropfer zu bringen versuchte. „Ein Opfer, das Gott wohlgefällt“, entgegnete ihm die couragierte Jungfrau, „das ist: die armen Leute suchen und ihnen zu Hilfe kommen in ihrer Not.“ Mit der Drohung, sie auspeitschen zu lassen, konnte er sie nicht schrecken. Da hatte er die perfide Idee, sie ins Bordell zu bringen, doch die Angeklagte war plötzlich so schwer, dass sie alle Gerichtsdiener zusammen nicht von der Stelle bringen konnten, nicht einmal mit mehreren Ochsengespannen.
Es gibt viele solcher Geschichten, Lucia selbst aber ist keine Gestalt der Legende. Man kennt ihre erste Grabstätte, eine über frühchristlichen Katakomben erbaute Kirche in Syrakus. Von dort wanderten ihre Reliquien, um sie vor muslimischen Besatzungstruppen zu retten, nach Konstantinopel und 1204, beim vierten Kreuzzug, nach Venedig, wo sie in einem Glassarg ruhen, in der Kirche Geremia e Lucia.
Hier in Italien gilt Santa Lucia heute noch als Schutzpatronin der Fischer. An ihrem Festtag bereitet man Torrone dei poveri, für die Armen: Kichererbsen werden mit Zucker so lange gekocht, bis daraus ein dicker Brei entsteht. Aber auch die Augenkranken und die Blinden verehren sie und erinnern sich dabei an die romantisch-makabre Legende von dem heidnischen Jüngling, der sich in Lucias glutvolle Augen verliebt hatte. Um seinen Nachstellungen zu entgehen, so die Legende, riss oder schnitt die bildhübsche Lucia sich selbst die Augen aus und sandte sie dem armen Kerl auf einem Tablett. Doch nun schenkte die Madonna ihrer standhaften Verehrerin noch schönere Augen …
In Ungarn und Serbien schneidet man am Luciatag Kirschzweige ab und stellt sie in eine Vase; blühen sie nach vier Wochen im Januar auf, bedeutet das Glück für das ganze Jahr. Aber die schönsten Luciabräuche gibt es in Schweden: In allen Städten und Dörfern wird eine Lussibrud gewählt, eine Luciabraut. Und die jüngste Tochter im Haus geht am Morgen, den grünen Kranz mit brennenden Kerzen auf dem Kopf (da heißt es sich vorsichtig bewegen), von Zimmer und Zimmer und weckt Eltern und Geschwister. Die warten schon darauf, denn ihre „Lucia“ bringt nicht nur einen Vorschein des großen Lichts von Weihnachten, sondern auch die ersten Weihnachtsplätzchen.

Christian Feldmann