Das uralte Rätsel der biblischen Plagen
Eine Welle von Katastrophen bricht innerhalb weniger Monate über Ägypten herein, die Jahwe als Zeichen seiner Allmacht schickt. Die Plagen überbieten alles Dagewesene: Verunreinigungen, Verwüstungen, Seuchen und Tod – jede Plage trifft die Menschen am Nil härter als die vorherige. In fünf Kapiteln zeichnet das biblische Buch Exodus ein Horrorszenario, das die Grundfesten des Pharaonenreiches erschüttert und das mit dem Auszug der Israeliten endet. Unter der Führung von Moses flieht Israel aus der Knechtschaft Ägyptens und bricht ins Gelobte Land auf.
Die Plagen: Einzelphänomene oder eine Kettenreaktion? Sind die Naturkatastrophen Legenden? Wahre Begebenheiten? Das versuchen Naturwissenschaftler seit Jahrzehnten herauszufinden. Und ziehen in der ZDF-Sendereihe „Terra X“ ein erstaunliches Fazit: Der Bericht über die Plagen ist auf tatsächliche Ereignisse zurückzuführen. Die Forscher präsentieren, was sie finden konnten: „Nachweise, die einmal mehr aufzeigen, mit welcher Kenntnis das Buch der Bücher verfasst wurde“, so Alexander Hesse, Leiter der ZDF-Redaktion Geschichte und Gesellschaft. Hier einige Antworten auf das uralte Rätsel der Plagen:
1. Plage: Wasser wird für sieben Tage ungenießbar.
Mose und Aaron taten, wie ihnen der Herr geboten hatte, und Mose hob den Stab und schlug ins Wasser, das im Nil war, vor dem Pharao und seinen Großen. Und alles Wasser im Strom wurde in Blut verwandelt. (2 Mos 7,20)
Wissenschaftler sagen: Vor mehr als 3000 Jahren wurde das sensible Ökosystem des Nil immer wieder durch extreme Hochwasser und Dürreperioden aus dem Gleichgewicht geworfen. Die Folgen für die Bevölkerung waren verheerend, denn die gesamte Landwirtschaft des Reiches hing am Tropf des mächtigen Stroms.
2. Plage: Frösche wimmeln im Land. Und der Herr sprach zu Mose: Sage Aaron: strecke deine Hand aus mit deinem Stabe über die Ströme, Kanäle und Sümpfe und lass Frösche über Ägyptenland kommen. Und Aaron reckte seine Hand aus über die Wasser in Ägypten, und es kamen Frösche herauf, so dass Ägyptenland bedeckt wurde. (2 Mos 8,1)
Wissenschaftler sagen: Der Nil sei damals zum Seuchenherd geworden. Man habe dort todbringende Mikroorganismen gefunden, die das Sterben der Fische verursachten und die Frösche in eine Stresssituation brachten.
3. Plage: Stechmücken plagen Mensch und Vieh.
Sie taten so, und Aaron reckte seine Hand aus mit seinem Stabe und schlug in den Staub auf der Erde. Und es kamen Mücken und setzten sich an die Menschen und an das Vieh; aller Staub der Erde ward zu Mücken in ganz Ägyptenland. (2 Mos 8,13)
4. Plage: Stechfliegen füllen alle Häuser.
Und der Herr sprach zu Mose: Mach dich morgen früh auf und tritt vor den Pharao, wenn er hinaus ans Wasser geht, und sage zu ihm: So spricht der Herr: Lass mein Volk ziehen, dass es mir diene; wenn nicht, siehe, so will ich Stechfliegen kommen lassen über dich, deine Großen, dein Volk und dein Haus, dass die Häuser der Ägypter und das Land, auf dem sie wohnen, voller Stechfliegen werden sollen. (2 Mos 8,16)
5. Plage: Viehpest tötet alle Pferde, Kamele, Rinder, Schafe.
Da sprach der Herr zu Mose: Geh hin zum Pharao und sage zu ihm: So spricht der Herr, der Gott der Hebräer: Lass mein Volk ziehen, dass sie mir dienen! Wenn du dich weigerst und sie weiter aufhältst, siehe, so wird die Hand des Herrn kommen über dein Vieh auf dem Felde, über die Pferde, Esel, Kamele, Rinder und Schafe, mit sehr schwerer Pest. (2 Mos 9,1)
6. Plage: Geschwüre befallen Mensch und Vieh.
Und sie nahmen Ruß aus dem Ofen und traten vor den Pharao, und Mose warf den Ruß gen Himmel. Da brachen auf böse Blattern an den Menschen und am Vieh, so dass die Zauberer nicht vor Mose treten konnten wegen der bösen Blattern; denn es waren an den Zauberern ebenso böse Blattern wie an allen Ägyptern. (2 Mos 9,10)
Wissenschaftler sagen: Man habe schlüssige Erklärungen für die gigantischen Ungezieferschwärme, die grassierende Viehpest und die gefährlichen Blattern gefunden. Die feuchtschwüle Witterung lockte Schwärme von Ungeziefer an, die Krankheiten auf Mensch und Tier übertrugen.
7. Plage: Hagel tötet Mensch und Vieh, zerstört Ernte und Bäume.
Da sprach der Herr zu Mose: Recke deine Hand aus gen Himmel, dass es hagelt über ganz Ägyptenland, über Menschen, über Vieh und über alles Gewächs auf dem Felde in Ägyptenland. (2 Mos 9,22)
Wissenschaftler sagen: Atmosphärische Anomalien beschworen Hagelstürme herauf, die eine Schneise der Zerstörung hinterließen.
8. Plage: Heuschrecken bedecken das Land und fressen alles Grün.
Da sprach der Herr zu Mose: Recke deine Hand über Ägyptenland, dass Heuschrecken auf Ägyptenland kommen und alles auffressen, was im Lande wächst, alles, was der Hagel übriggelassen hat. (2 Mos 10,12)
Wissenschafler sagen: Auch das Geschwader von Heuschrecken lasse sich belegen. Zurück blieb nach den Plagen gähnende Ödnis, über die der heiße Chamsin hinweg stürmte, und die Hoffnung der Ägypter, dass sich der Leben spendende Nil wieder erholte.
9. Plage: Finsternis dauert drei Tage.
Da sprach der Herr zu Mose: Recke deine Hand gen Himmel, dass eine solche Finsternis werde in Ägyptenland, dass man sie greifen kann. (2 Mos 10,21) Manfred Görg, Professor em. für Alttestamentliche Theologie und Ägyptologie an der Universität München: „Die Autoren der Bibel haben mit den Plagen natürliche Vorgänge und Erfahrungen beschrieben und auch dramatisiert, um die wundersame Geschichte vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten vor einem großartigen Hintergrund zu erzählen. Sie wollten dem Leser sozusagen vermitteln: Gott hat Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um den Exodus in das Gelobte Land zu ermöglichen.“
10. Plage: Erstgeborene von Mensch und Vieh sterben.
Und Mose sprach: So spricht der Herr: Um Mitternacht will ich durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh. (2 Mos 11,4)
Wissenschaftler sagen: Der Tod der Erstgeborenen passt nicht in den Rahmen der vorangegangenen Naturkatastrophen. Fast alle naturwissenschaftlichen Erklärungsversuche wie die Verseuchung des Getreides durch Schimmelpilze bleiben unbefriedigend, weil keine These überzeugend belegt, warum nur die Ältesten der Heimsuchung Gottes zum Opfer fallen. Vielmehr sehen Forscher in der Episode ein religiöses Symbol: Die Erstgeburt alles Bösen soll mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden – eine Floskel, die auch im Nilland seit alters her bekannt war. Theorie zum Auslöser der Plagen: Das einzige Ereignis, das sich nachweislich auf das Nilland auswirkte, war der Vulkanausbruch von Santorin. Er brachte nicht nur sauren Regen, sondern auch toxische Substanzen ins Reich der Sonne. Der Biologe Siro Trevisanato wagte sich in einem wissenschaftlichen Kraftakt an die Rekonstruktion des biblischen Szenarios und legte verblüffende Erkenntnisse vor. Seine Theorie ist bislang die einzige, die das Gesamtphänomen nachvollziehbar mit einem konkreten historischen Naturereignis in Zusammenhang bringt.